Literaturrecherche zur Risiko-Eskalation von Schimmel in unseren Kirchen und wertvollen Kulturgütern

 

 Die Entstehung und Ausbreitung von Schimmel durch anthropogene Umwelteinflüsse bedroht zunehmend die Innenausstattung von Kirchen und andere historisch wertvolle Kulturgüter. Die frühzeitige Erkennung von Schimmelbildung ist deshalb ein wichtiger Faktor zur Vermeidung von irreversiblen Schäden. Wie in /Sedlbauer, K. (2001) / beschrieben, sind die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur zwei wichtige Parameter für die Vorhersage der Wahrscheinlichkeit von Schimmelentstehung. Beide Parameter allein zu betrachten, sei es per Messung oder auch per Simulation, reicht jedoch nicht aus, um eine tatsächliche Schimmelbildung erkennen zu können. Entsprechend der Analysen in /Sedlbauer, K. (2001) / gilt es weitere bedeutende Einflussgrößen wie die Zeitdauer und das Substrat (Nährboden) bei der Schimmelentstehung zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass in Gebäuden in der Regel instationäre hygrothermische Zustände mit ständig wechselndem lokalen Raumklima auftreten. All diese zuvor beschriebenen Effekte zu berücksichtigen, macht es für Nichtexperten sehr schwierig, aus Messdaten oder auch Simulationsdaten eine Vorhersage zur Schimmelbildung abzuleiten. Bei Simulationsmodellen kommt erschwerend hinzu, geeignete Modelparameter zu ermitteln. Das ist in der Regel nur mit dem Expertenwissen eines Bauphysikers möglich. Abb. 1 zeigt Schimmelbildung an einem Altar im Dom von Xanten.

Abb. 1 Schimmelbildung an einem Altar im Dom von Xanten

Der durch Menschen mitverursachte Klimawandel wird bis zum Ende des Jahrhunderts die Entstehung von Schimmel und damit die Bedrohung der Innenausstattungen von Kirchen und anderen historisch wertvollen Kulturgütern signifikant erhöhen (/Leissner, J. und Fuhrmann, C. (2018) /, /Burmester, Eibl, Ashley-Smith (2013) /, /HAWK (2019)/ ). Auf Basis der Forschungen im „Climate for Culture“-Projekt konnten vom Max-Planck-Institut für Meteorologie Risikokarten von Europa mit einer Auflösung von 10 mal 10 Kilometern entwickelt werden. Hierfür lassen sich detaillierte Klimaprognosen für alle möglichen Orte in Europa abrufen (Temperatur und Feuchte im Stundentakt bis zum Jahr 2100) /Kilian, R. (2014) /. In Kombination mit Innenraum-Simulationen der WUFI-Software /Fraunhofer IBP (2019) / lassen sich die Folgen des Klimawandels für den Innenraum historischer Gebäude in Bezug auf Temperatur- und Feuchtewerte (Abb. 2) voraussagen /Leissner (2014) /. 


Abb. 2 Risiko für Schimmelwachstum in Europa 2020 bis 2050 /Leissner (2014)/


Aber bereits heute ist das Thema akut. Auf der Tagung „Klimazone Kirche“ im Frühjahr 2019 konzentrierten sich 4 Vorträge direkt auf das Risiko der Schimmelbildung auf Orgeln, Statuen, Gemälden und weiteren Objekten innerhalb der Kirchen. Auch aktuelle Forschungsförderungen seitens der DBU (DBU Abschlussbericht AZ 31242-45 sowie AZ 30200-45 und das aktuell laufende Projekt DBU 34554/01) sowie mehrere Zeitungsartikel (/Kappel (2018) / und /Walde (2014) /) dokumentieren, dass bereits heute aktuelle Problem den Bedarf an zeitnahen Lösungen erfordern. Es ist daher jetzt und in der Zukunft notwendig, Frühwarnsysteme für die Entstehung von Schimmel zu entwickeln, welche dann weitergehende Schäden an den historischen Objekten in einem möglichst frühen Stadium zu vermeiden helfen.

Darstellung der umweltrelevanten Ziele für die nahe Zukunft

Der für die Vermeidung von Schimmelentstehung erforderliche Zielkorridor kann bei /Sedlbauer (2001) / für bestimmte Materialgruppen und Schimmelarten auf Basis der Isoplethen abgelesen werden. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen Kurven (Isoplethen) für die Auskeimungszeit der Sporen für zwei verschiedene Schimmelpilzarten und das Myzelwachstum in mm/Tag, abhängig von den physikalischen Parametern der Lufttemperatur und der relativen Feuchte. In Bereichen außerhalb der Isoplethen findet (theoretisch) kein Schimmelwachstum statt (Abb. 3 und 4):


Abb. 3 Isoplethensysteme für Sporenauskeimung der Schimmelpilze Aspergillus restrictus. Die Isolinien geben in Abhängigkeit von Temperatur und relativer Feuchte die Keimungszeiten in Tagen an (eingetragene Zahlenwerte). Die Punkte zeigen Bedingungen, bei denen nach 95 Tagen noch keine Keimung stattgefunden hatte. (/Sedlbauer (2001) /).




Abb. 4 Isoplethensysteme für Myzelwachstum der Schimmelpilze Aspergillus versicolor in Abhängigkeit von Temperatur und relativer Feuchte nach Smith [126]. Die Zahlen an den Isolinien kennzeichnen die Wachstumsraten in mm/d (/Sedlbauer (2001) /).


Die Messung der Raumluftbedingungen in der Kirche zur Überprüfung der Einhaltung des Korridors ist notwendig, aber nicht hinreichend. Denn darüber hinaus sind weitere Parameter, wie z.B. das gleichzeitige Auftreten von zu hoher Feuchtigkeit und zu hoher Temperatur, Austrocknungsperioden und die Wasseraufnahme durch das Substrat wichtig /Sedlbauer (2003) /. Um diesen biologischen Effekt zu simulieren, wurde die Software WUFI um WUFI-Bio (https://wufi.de/de/2017/03/31/wufi-bio/) erweitert. Durch Simulation einer Modellspore, die an der Oberfläche des Objektes angebracht ist, kann das mit physikalischen Parametern ermittelte Isoplethensystem durch ein biohygrothermisches System erweitert werden. Der Wassergehalt einer Spore kann durch biologische Vorgänge mitgesteuert werden. Ab einem bestimmten Grenzwasserwert fängt die Spore an zu keimen. Der Feuchtehaushalt kann mit Materialkenngrößen für die Feuchtespeicherfunktion und den feuchteabhängigen Wasserdampfdiffusions-widerstand, ergänzt um die feuchte- und temperaturabhängige Wärmeleitfähigkeit, berechnet werden. In der Materialdatenbank selbst findet man aber lediglich Substratklassen von Werkstoffen. Gegebenenfalls müssten die Materialkenngrößen für die Kunstgegenstände, Figuren, Orgeln noch ergänzt werden. In den FAQ zur WUFI-Software (https://wufi.de/de/service/faq/#P13) wird explizit darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Ergebnisse durch den Nutzer und nicht durch die Software erfolgt. Für die Bewertung der Ergebnisse wird bauphysikalisches Verständnis und Erfahrung benötigt. 

Aber auch wenn durch Kontrolle der Innenluft der Gebäude das Klima innerhalb des vorgegebenen Klimakorridors liegt, so gibt es doch Bedenken für die Vermeidung von Schimmel in Bezug auf lokale Klimata in der Nähe der zu schützenden Kulturgüter. In /Schulze (2012) / werden hierfür die Art des Substrates, die Luftzirkulationsrate, die lokale Temperatur, andere Feuchtequellen, aber auch der pH-Wert und die Wasserdampfdurchlässigkeit der Objektoberflächen genannt. Speziell bei beheizten Räumen ist das Risiko hoch, dass Kondensat an den kalten Bauteilen oder auch an Objekten in der Nähe von kalten Bauteilen zur Schimmelbildung beiträgt. Auch moderne Dispersionsfarben an Wänden sind ein hohes Risiko, da sie die Wasserdampfdurchlässigkeit der Oberflächen verringern. Dass die Unterschreitung des Taupunktes an kalten Objekten Ursache für Schimmelbildung sein kann, wird auch in /Neuhaus (2012) / bestätigt und dies sogar bei vorliegendem Innenraumklima im Zielkorridor. Aus seiner Sicht ist Klimatisierung ein Risiko, da die spezielle Umgebung des Objektes von größerer Bedeutung für die Schimmelentstehung ist. Daher sind für eine genaue Beurteilung des Risikos wissenschaftlich korrekte Untersuchungen von interdisziplinären Spezialisten erforderlich. Auch in /Klemm (2012) / werden sehr hohe Risiken bei superisolierten Gebäuden durch eingeschlossene Feuchtigkeit gesehen. Im eingerichteten Linderhof Palast /Holl (2012) / entstand Schimmel an Objekten, obwohl das Gebäude sich klimatisch im Zielkorridor befindet. Ursachen werden in den häufigen Besuchern gesehen, welche in den Räumen andere lokale Klimata herbeiführen. Hierdurch können die Zeiträume, bei denen gleichzeitig hohe Temperaturen und relative Luftfeuchten auftreten, erhöht werden. Außerdem ist die Substratqualität von großer Bedeutung.  Des Weiteren wird hier das hohe Risiko für Schimmelentstehung in Bereichen mit geringer Luftströmung gesehen. Hierzu gehören z.B. alle Ecken, Faltrolläden, Bänke, Kanzeln usw. Darüber hinaus wird auf falsche Lackierungen bei Holzwerkstoffen hingewiesen, welche die Wasserdampfdiffusion sperren. Schimmel wurde häufiger in Gebäuden mit Heizungsanlage gefunden als in solchen ohne. Eine weitere Untersuchung /Leijonhufvud (2012) / zeigt, dass in Wirklichkeit der Zusammenhang zwischen Feuchtigkeit im Objekt und der relativen Luftfeuchtigkeit dynamisch ist, gekennzeichnet durch Zyklen und Schwankungen, und die Temperatur eines Objekts ist nicht gleich der Lufttemperatur. Darüber hinaus diffundiert die Wärme schneller als Feuchtigkeit in hygroskopischen Materialien, was zu inneren Schäden führt.

Entscheidend ist daher das Mikroklima in der Nähe der zu betrachtenden Objekte. Es reicht nicht aus, an einem Messpunkt in der Kirche Lufttemperatur- und relative Feuchte zu bestimmen.

Darüber hinaus geben diese Literaturstellen wichtige Hinweise darauf, wo eine hohe Wahrscheinlichkeit für Schimmelbildung lokal besonders hoch ist. Dies ist wertvoller Input bei der Auswahl der Objekte in der Feldstudie: Bereiche mit geringer Luftströmung (Ecken, Bänke, Kanzeln, Altäre), kalte Wände oder Objekte an kalten Wänden (Bilder, Teppiche, Kunstobjekte), Lackierungen, die die Wasserdampfdiffusion stören, Orgeln und mehr. Beheizte Gebäude stellen ein besonderes Risiko dar.

Die Ansiedlung von Schimmel auf den Objekten in der Kirche ist erst einmal nicht sichtbar /https://de.wikipedia.org/wiki/Schimmelpilz/. Schimmelsporen sind in der Luft immer und überall vorhanden. Sie können sich bei geeigneten klimatischen Bedingungen und bei geeignetem biologischen Trägermaterial auf den Objekten ansiedeln und bilden Myzelien aus, die mikroskopisch wachsen und ab einem bestimmten Stadium sichtbar werden. Um Schimmel in dem frühen Stadium zu erkennen, sind mikrobiologische Analysen erforderlich /Meider (2014) /. Dafür wären periodische Materialproben erforderlich, die dann eingeschickt und im Labor untersucht werden können. Im Kunstbereich z.B. bei der Ausleihung von Gemälden kann dies auch sinnvoll vor und nach der Ausleihe gemacht werden, um eventuell entstandene Schäden einem Verursacher zuzuordnen /Palmgreen (2011) /. Dies ist auch versicherungstechnisch von Bedeutung. Bei den vielfältigen Objekten in Kirchen oder anderen historischen Gebäuden ist dies jedoch unpraktikabel und darüber hinaus auch teuer, wenn man bedenkt, dass eine vollständige mikrobiologische Materialanalyse bei ca. 200 € (ohne Berechnung der Probenentnahme) liegt (/Preisliste Labor Urbanus/) und dies darüber hinaus in engen Zeitabständen mehrfach bzw. laufend erfolgen müsste.

Daher bleibt bei der Vielzahl der möglichen befallenden Objekte nur die Sichtprüfung auf Schimmelbefall übrig, um weitergehende Schäden zu vermeiden. Dies wäre allerdings nur durch periodische Kontroll- und Untersuchungsgänge der betreuenden Personen möglich, wobei bei einer vom Klima abhängigen möglichen Wachstumsrate von bis zu 3mm/Tag und Sporenauskeimung im Tagesbereich auch tägliche oder wöchentliche Kontrollgänge gemacht werden müssten. Viele Objekte können auch nicht einfach erreicht werden, und dies erfordert Hilfsmittel, wie z.B. Leitern oder noch komplexere Kletterhilfen. Dies ist bei der heutigen angespannten Haushaltslage schwierig, da voraussichtlich weder Personalkapazität noch Personalkosten ausreichend zur Verfügung stehen.

Ein automatisches Frühwarnsystem zur Erfassung der schimmelrelevanten physikalischen thermodynamischen Größen direkt in der Nähe der Kunstobjekte und zusätzlicher fotografischen Erfassung der Oberfläche mit anschließender Analyse durch Algorithmen der künstlichen Intelligenz würde dieses Problem lösen und könnte eine automatische Warnung an den Benutzer auslösen.

 

Dieses Literaturrecherche ist ein Auszug aus einem Projekt, welches von der DBU unter Aktenzeichen: 35604/01 gefördert wurde. Die Referenzen werden auf Wunsch zugeschickt.

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