Literaturrecherche zur Risiko-Eskalation von Schimmel in unseren Kirchen und wertvollen Kulturgütern
Abb. 1 Schimmelbildung an einem Altar im Dom von Xanten |
Der durch Menschen mitverursachte Klimawandel wird bis zum Ende des Jahrhunderts die Entstehung von Schimmel und damit die Bedrohung der Innenausstattungen von Kirchen und anderen historisch wertvollen Kulturgütern signifikant erhöhen (/Leissner, J. und Fuhrmann, C. (2018) /, /Burmester, Eibl, Ashley-Smith (2013) /, /HAWK (2019)/ ). Auf Basis der Forschungen im „Climate for Culture“-Projekt konnten vom Max-Planck-Institut für Meteorologie Risikokarten von Europa mit einer Auflösung von 10 mal 10 Kilometern entwickelt werden. Hierfür lassen sich detaillierte Klimaprognosen für alle möglichen Orte in Europa abrufen (Temperatur und Feuchte im Stundentakt bis zum Jahr 2100) /Kilian, R. (2014) /. In Kombination mit Innenraum-Simulationen der WUFI-Software /Fraunhofer IBP (2019) / lassen sich die Folgen des Klimawandels für den Innenraum historischer Gebäude in Bezug auf Temperatur- und Feuchtewerte (Abb. 2) voraussagen /Leissner (2014) /.
Abb. 2 Risiko für Schimmelwachstum in Europa 2020 bis 2050 /Leissner (2014)/ |
Aber bereits heute ist das Thema akut. Auf der Tagung „Klimazone Kirche“ im Frühjahr 2019 konzentrierten sich 4 Vorträge direkt auf das Risiko der Schimmelbildung auf Orgeln, Statuen, Gemälden und weiteren Objekten innerhalb der Kirchen. Auch aktuelle Forschungsförderungen seitens der DBU (DBU Abschlussbericht AZ 31242-45 sowie AZ 30200-45 und das aktuell laufende Projekt DBU 34554/01) sowie mehrere Zeitungsartikel (/Kappel (2018) / und /Walde (2014) /) dokumentieren, dass bereits heute aktuelle Problem den Bedarf an zeitnahen Lösungen erfordern. Es ist daher jetzt und in der Zukunft notwendig, Frühwarnsysteme für die Entstehung von Schimmel zu entwickeln, welche dann weitergehende Schäden an den historischen Objekten in einem möglichst frühen Stadium zu vermeiden helfen.
Darstellung der umweltrelevanten Ziele für die nahe Zukunft
Der für die Vermeidung von Schimmelentstehung erforderliche
Zielkorridor kann bei /Sedlbauer (2001) / für bestimmte Materialgruppen
und Schimmelarten auf Basis der Isoplethen abgelesen werden. Die beiden
folgenden Abbildungen zeigen Kurven (Isoplethen) für die Auskeimungszeit der
Sporen für zwei verschiedene Schimmelpilzarten und das Myzelwachstum in mm/Tag,
abhängig von den physikalischen Parametern der Lufttemperatur und der relativen
Feuchte. In Bereichen außerhalb der Isoplethen findet (theoretisch) kein
Schimmelwachstum statt (Abb. 3 und 4):
Aber auch wenn durch Kontrolle der Innenluft der Gebäude das
Klima innerhalb des vorgegebenen Klimakorridors liegt, so gibt es doch Bedenken
für die Vermeidung von Schimmel in Bezug auf lokale Klimata in der Nähe der zu
schützenden Kulturgüter. In /Schulze (2012) / werden hierfür die Art des
Substrates, die Luftzirkulationsrate, die lokale Temperatur, andere
Feuchtequellen, aber auch der pH-Wert und die Wasserdampfdurchlässigkeit der
Objektoberflächen genannt. Speziell bei beheizten Räumen ist das Risiko hoch,
dass Kondensat an den kalten Bauteilen oder auch an Objekten in der Nähe von
kalten Bauteilen zur Schimmelbildung beiträgt. Auch moderne Dispersionsfarben
an Wänden sind ein hohes Risiko, da sie die Wasserdampfdurchlässigkeit der
Oberflächen verringern. Dass die Unterschreitung des Taupunktes an kalten
Objekten Ursache für Schimmelbildung sein kann, wird auch in /Neuhaus (2012) /
bestätigt und dies sogar bei vorliegendem Innenraumklima im Zielkorridor. Aus
seiner Sicht ist Klimatisierung ein Risiko, da die spezielle Umgebung des
Objektes von größerer Bedeutung für die Schimmelentstehung ist. Daher sind für
eine genaue Beurteilung des Risikos wissenschaftlich korrekte Untersuchungen von
interdisziplinären Spezialisten erforderlich. Auch in /Klemm (2012) / werden
sehr hohe Risiken bei superisolierten Gebäuden durch eingeschlossene
Feuchtigkeit gesehen. Im eingerichteten Linderhof Palast /Holl (2012) / entstand
Schimmel an Objekten, obwohl das Gebäude sich klimatisch im Zielkorridor
befindet. Ursachen werden in den häufigen Besuchern gesehen, welche in den
Räumen andere lokale Klimata herbeiführen. Hierdurch können die Zeiträume, bei
denen gleichzeitig hohe Temperaturen und relative Luftfeuchten auftreten,
erhöht werden. Außerdem ist die Substratqualität von großer Bedeutung. Des Weiteren wird hier das hohe Risiko für
Schimmelentstehung in Bereichen mit geringer Luftströmung gesehen. Hierzu
gehören z.B. alle Ecken, Faltrolläden, Bänke, Kanzeln usw. Darüber hinaus wird
auf falsche Lackierungen bei Holzwerkstoffen hingewiesen, welche die
Wasserdampfdiffusion sperren. Schimmel wurde häufiger in Gebäuden mit
Heizungsanlage gefunden als in solchen ohne. Eine weitere Untersuchung
/Leijonhufvud (2012) / zeigt, dass in Wirklichkeit der Zusammenhang zwischen
Feuchtigkeit im Objekt und der relativen Luftfeuchtigkeit dynamisch ist,
gekennzeichnet durch Zyklen und Schwankungen, und die Temperatur eines Objekts
ist nicht gleich der Lufttemperatur. Darüber hinaus diffundiert die Wärme
schneller als Feuchtigkeit in hygroskopischen Materialien, was zu inneren
Schäden führt.
Entscheidend ist daher das Mikroklima in der Nähe der zu
betrachtenden Objekte. Es reicht nicht aus, an einem Messpunkt in der Kirche
Lufttemperatur- und relative Feuchte zu bestimmen.
Darüber hinaus geben diese Literaturstellen wichtige Hinweise
darauf, wo eine hohe Wahrscheinlichkeit für Schimmelbildung lokal besonders
hoch ist. Dies ist wertvoller Input bei der Auswahl der Objekte in der
Feldstudie: Bereiche mit geringer Luftströmung (Ecken, Bänke, Kanzeln, Altäre),
kalte Wände oder Objekte an kalten Wänden (Bilder, Teppiche, Kunstobjekte),
Lackierungen, die die Wasserdampfdiffusion stören, Orgeln und mehr. Beheizte
Gebäude stellen ein besonderes Risiko dar.
Die Ansiedlung von Schimmel auf den Objekten in der Kirche
ist erst einmal nicht sichtbar /https://de.wikipedia.org/wiki/Schimmelpilz/.
Schimmelsporen sind in der Luft immer und überall vorhanden. Sie können sich
bei geeigneten klimatischen Bedingungen und bei geeignetem biologischen
Trägermaterial auf den Objekten ansiedeln und bilden Myzelien aus, die
mikroskopisch wachsen und ab einem bestimmten Stadium sichtbar werden. Um
Schimmel in dem frühen Stadium zu erkennen, sind mikrobiologische Analysen
erforderlich /Meider (2014) /. Dafür wären periodische Materialproben
erforderlich, die dann eingeschickt und im Labor untersucht werden können. Im
Kunstbereich z.B. bei der Ausleihung von Gemälden kann dies auch sinnvoll vor
und nach der Ausleihe gemacht werden, um eventuell entstandene Schäden einem
Verursacher zuzuordnen /Palmgreen (2011) /. Dies ist auch
versicherungstechnisch von Bedeutung. Bei den vielfältigen Objekten in Kirchen
oder anderen historischen Gebäuden ist dies jedoch unpraktikabel und darüber
hinaus auch teuer, wenn man bedenkt, dass eine vollständige mikrobiologische
Materialanalyse bei ca. 200 € (ohne Berechnung der Probenentnahme) liegt (/Preisliste
Labor Urbanus/) und dies darüber hinaus in engen Zeitabständen mehrfach bzw.
laufend erfolgen müsste.
Daher bleibt bei der Vielzahl der möglichen befallenden
Objekte nur die Sichtprüfung auf Schimmelbefall übrig, um weitergehende Schäden
zu vermeiden. Dies wäre allerdings nur durch periodische Kontroll- und
Untersuchungsgänge der betreuenden Personen möglich, wobei bei einer vom Klima abhängigen möglichen Wachstumsrate von bis zu 3mm/Tag und Sporenauskeimung im Tagesbereich auch
tägliche oder wöchentliche Kontrollgänge gemacht werden müssten. Viele Objekte
können auch nicht einfach erreicht werden, und dies erfordert Hilfsmittel, wie
z.B. Leitern oder noch komplexere Kletterhilfen. Dies ist bei der heutigen
angespannten Haushaltslage schwierig, da voraussichtlich weder
Personalkapazität noch Personalkosten ausreichend zur Verfügung stehen.
Ein automatisches Frühwarnsystem zur Erfassung der schimmelrelevanten
physikalischen thermodynamischen Größen direkt in der Nähe der Kunstobjekte und
zusätzlicher fotografischen Erfassung der Oberfläche mit anschließender Analyse
durch Algorithmen der künstlichen Intelligenz würde dieses Problem lösen und könnte
eine automatische Warnung an den Benutzer auslösen.
Dieses Literaturrecherche ist ein Auszug aus einem Projekt, welches von der DBU unter Aktenzeichen: 35604/01 gefördert wurde. Die Referenzen werden auf Wunsch zugeschickt.
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